Am Mittwoch, den 13.7., hielt die Tübinger Nahost Ikone Felicia Langer im Schlatterhaus einen Vortrag: Frieden und Gerechtigkeit – noch immer nur ein Traum in Nahost.
Veranstaltet wurde die auch unter den Titel „Wie das faschistische Israel das friedliebende palästinensische Volk unterdrückt“ subsumierbare Veranstaltung neben einigen Tübinger „Nahost-Gruppen“ (unter anderem AK Palästina, Friedensplenum, Verein arabischer Studenten) auch von der ESG Tübingen.
Den Eingangsbereich des Vortragsraums säumten zwei Verkaufstische, auf denen neben Langers Büchern nette Dinge wie eine Kindermusikkassette mit Intifada Kinderliedern feilgeboten wurden.
Von Anfang an ließ Langer keine Zweifel aufkommen wie sie sich im gegenwärtigen Israel-Palästina Konflikt positioniert: Ein zynisches Aufrechnen der Opferzahlen soll deutlich machen, dass Israelis kollektive Täter und Palästinenser kollektive Opfer sind. Es scheint also keine Rolle zu spielen dass ein Selbstmordanschlag auf der einen und israelische Vergeltungsaktionen auf der anderen Seite vollkommen verschiedene Ziele haben. Bei ersterem geht es immer darum, so viele Menschen wie möglich zu töten, oberstes Ziel der israelischen Sicherheitskräfte ist dagegen das Verhindern von Anschlägen.
Langers Vortragstil ist weder logisch strukturiert noch argumentativ begründend. Viel Raum nehmen dagegen Bilder ein, die sie mitreißend zu kommentieren weiß. Da zeugt dann ein mit Edding an eine Hauswand geschmiertes „Kill all Arabs“ von israelischer Araberfeindlichkeit; ein mit roten Herzen verziertes „Palestines love Peace“ dagegen soll die palästinensische Friedenssehnsucht untermalen. Da kommen einem ja die Tränen.
Falls sie sich dann doch mal in das Reich der überprüfbaren Tatsachen wagt sucht sie sich aus was ihr gerade in den Kram passt und verschweigt konsequent alles, was daran Zweifel aufkommen lassen könnte. Sie ist empört über die Vertreibungen nach dem israelischen Unabhängigkeitskrieg, verschweigt aber dass Israel mit dem Ziel, es zu vernichten, angegriffen worden war, und dass die Palästinenser durchaus an diesem Krieg beteiligt waren. Auch dass infolge des Krieges 600000 Juden aus dem Irak, Libyen, Syrien und Ägypten fliehen mussten findet keine Erwähnung.
Ebensowenig in ihr Bild passt die Verfasstheit des antibritischen palästinensischen Widerstands unter der Führung des „Großmufti von Jerusalem“, Hadsch Mohammed Amin Al-Husseini, des späteren geistigen Mentors von Jassir Arafat. Es ist für die Bewertung der Vertreibungen nach 1948 nicht unerheblich, dass es in den Jahren zuvor eine intensive Zusammenarbeit palästinensischer Repräsentanten mit Nazi Deutschland gab. Für den genannten Großmufti, der von 1941 bis 1945 in Berlin weilte, war die Endlösung die Lösung der Probleme Palästinas. Er war maßgeblich an Deportationen ungarischer Juden in die Vernichtungslager beteiligt und organisierte den Aufbau der in Jugoslawien wütenden moslemischen „Handschar“ SS Division.
Einige Aussagen Langers sind hingegen eindeutig falsch: So spricht sie davon, dass die Opposition in den Autonomiegebieten eher links und liberal sei. Fakt ist: die Hamas ist die bedeutendste palästinensische Oppositionspartei. Ein Blick in die Charta der Hamas (http://www.thejerusalemfund.org/carryover/documents/charter.html) zeigt:
Das Weltverständnis der Hamas basiert auf eine Anzahl antisemitischer Verschwörungstheorien; sie behauptet die Echtheit der Protokolle der Weisen von Zion und dass die Freimaurer, der Lions-Club und die Rotarier des Rotary-Club insgeheim „im Interesse der Zionisten“ arbeiteten. Die Hamasmitglieder sehen in den Juden die Verantwortlichen für die Französische Revolution, den „westlichen Kolonialismus“, den Kommunismus und die Weltkriege.
Besonders unangenehm wird Langer wenn sie mit ihrer Wortwahl Analogien zwischen Israel und Nazi Deutschland nahe legt. So spricht sie davon, dass die Mauer aus Palästina ein großes Ghetto wird. Die jüdischen Siedler aus Hebron sind faschistische Extremisten die ethische Säuberungen durchführen. Sie spricht von Straßen die nur Juden befahren dürfen (was nebenbei gesagt falsch ist). Ein Bild von einem Palästinenser, der an einem Checkpoint Geige spielen muss, weckt Erinnerungen an jüdische Musiker in den Vernichtungslagern.
Bei aller Empathie für die eine oder andere Seite. Die industrielle Ermordung der europäischen Juden findet überhaupt keine Entsprechung in der gegenwärtigen israelischen Politik. Andere Behauptungen sind nichts als Verharmlosungen des Nationalsozialismus.
Beim deutschen Publikum besonders gerne gehört werden außerdem Langers Aufforderungen, sich gerade angesichts der deutschen Vergangenheit gegen Israel zu engagieren. Ein erleichtertes Raunen ging durch die Zuschauer als sie die angeblich von jüdischen Organisationen gegen deutsche Kritik eingesetzte Antisemitismuskeule anprangerte. F.Langer: „Opfer von gestern haben nicht das Recht, die Täter von damals zu ewigem schweigen zu verdammen“. Sie behauptet also dass in Deutschland Kritik an Israel tabuisiert ist. Liest sie keine Zeitung? Israel ist neben den USA das Land, das in der hiesigen Medienlandschaft wohl am häufigsten in en Negativschlagzeilen landet. Hier spricht sie dann auch schon mal von gleichgeschalteten Medien die von mächtigen (jüdischen?) Gruppen gesteuert werden, ist also selbst nicht mehr weit entfernt von der jüdischen Weltverschwörung.
Kritik an solchen Aussagen beugt sie vor: Sie als Jüdin, die vor den deutschen 1939 aus Warschau fliehen musste, sieht sich erhaben über jede Kritik. Mit ausladender Gestik erklärt macht sie deutlich dass sie weiß wovon sie spricht, da sie das damals selbst erlebt hat. Wahrscheinlich glaubt sie das sogar selbst.
Was mindestens ebenso verwundert wie Langers Position ist die Tatsache, dass sie vor allem bei sich wohl als links bezeichnenden Menschen auf so große Resonanz stößt. Niemand wird bezweifeln dass es Länder auf der Welt gibt, in denen das Leid der Bevölkerung größer ist als das der Palästinenser. Warum gibt es demnach auch außerhalb des rechtsradikalen Umfelds Gruppen, deren ausgemachter Hauptgegner der Staat Israel ist?
Vielleicht ist die Hauptmotivation für solch ein Engagement ja doch der innige Wunsch, sich Deutsch fühlen zu dürfen, ohne ständig an die Einmaligkeit des Holocausts erinnert zu werden. Juden als Täter können einem da das Leben schon viel erträglicher machen.